Vermont
Am Sonntag feiern wir Barzis Geburtstag, er wird 15! Die Geschenke gibt es zum Frühstück. Unseres ist nicht mehr die ganz große Überraschung, denn er hatte sich vorher 2 Paar Trekkingstöcke anzuschauen - Konsti und Barzi sind bis dahin immer mit irgendwelchen Stöcken durch den Wald geschlappt, jetzt hat Konsti gleich 2 davon. Letztendlich bekommt Barzi sehr gute Lekistöcke, die als ehemalige Leihstöcke preislich erreichbar waren. Anschließend kommen die Geschenke der Familie - gut geplant waren mit diese bereits am Flughafen übergeben worden, klein und eher leicht, aber ich habe sie trotzdem der Post anvertraut, denn für jemanden zwei Wochen seine Lieblingssüßigkeiten durch die Berge zu tragen, dass ist mir dann doch zu viel. Die Geburtstagspost hatte ich aber immer dabei, schließlich war nicht ganz klar, ob wir passend beim Postamt vorbeikommen würden. Alles klappt, die Freude ist groß - und dann geht es weiter, schließlich wandern wir und haben gerade einen "Ruhetag" genossen.

Bob überraschte uns noch einmal sehr freundlich, denn er fuhr uns alle zum Trail. Das Wetter war klasse, sonnig, doch nicht heiß. Konsti muss es langsamer angehen lassen, denn er hat sich abends beim Kochen Nudelwasser über den Fuß gegossen. Nein, keine Angst, den Nudeln ist nichts passiert, wir essen trotzdem gut; Konsti geht es auch ziemlich gut, David bleibt die ganze Zeit bei ihm und die 2 kommen nur anderthalb Stunden nach uns an. Der Stratton Pond Shelter ist einer der Bezahlshelter, mit $ 6 pro Person gar nicht billig, aber der Green Mountain Club tut so viel für die Erhaltung der Wege und stellt viele kostenlose Hütten zur Verfügung, dass wir gerne einmal bezahlen.

Franzi und Phine gehen gleich erstmal unerschrocken baden - Pond heißt Teich und der ist wirklich schön, mir ist es schon zu kühl und ich verschiebe es lieber auf den nächsten Morgen. Außerdem kochen wir erstmals Chili con Carne, da müssen Barzi und ich als die erfahrenen Köche tätig werden. Es schmeckt auch schon beim ersten Mal lecker, wird aber auf der weiteren Schlemmerfahrt noch Variationen und Verbesserungen erfahren. In der Nacht fängt es dann zu regnen an - soviel zur Wettervorhersage - und wir brauchen entsprechend länger zum Packen, wandern erst 3 Stunden nach dem Aufstehen los. Andererseits liegen zu der Zeit immer noch einige Thruhiker in ihren Schlafsäcken. Die armen Nobos (Northbounders, nach Norden wandernd) haben aber auch schon unglaublich viel Regen abbekommen. Wir dagegen haben auch in den nächsten Tagen regnerische Nächte, aber höchstens nieselnde Tage. Die Wege werden entsprechend matschig und die Schüler finden sich dann doch mal kniend oder liegend auf dem Boden wieder. Es pasiert aber nichts weiter, außer mal einer kleinen Blessur und öfter mal leicht verdreckte Kleidung.

Inzwischen dürfen die Schüler auch zu zweit unterwegs sein, wobei die Einteilung klar sein muss. Wechsel sind unterwegs durchaus möglich, allerdings darf nie jemand allein wandern. Die Erlaubnis dazu verteile ich nur einzeln, wobei mir neben Eigenverantwortung und Wandererfahrung auch ein Sprachtest wichtig ist. Es gibt hier halt nicht so viele Menschen wie bei einer Radtour und falls man sich verirrt, muss man außerdem noch kühlen Kopf bewahren.

Übermorgen verlassen wir Vermont und damit auch den Long Trail. Der ist noch älter als der AT, zieht sich von der Bundesstaatsgrenze mit Massachussetts bis zur kanadischen Grenze und hat mit 278 Meilen eine Gesamtstrecke, die man auch in 3 bis 4 Wochen erwandern kann. Im südlichen Teil trifft man viele AT-Wanderer, ab der Mitte hat man weniger Kontakt, aber mehr Platz in den Hütten. Er lässt sich sehr gut von Norden oder Süden beginnen und eignet sich dabei jeweils auch zum Einwandern. In der Mitte wird es dann heftiger, dass geht dann schon Richtung White Mountains in New Hampshire. Jetzt, Anfang September, treffen wir täglich 1 bis 4 Wanderer, die sich auf den Weg nach Norden machen.

Was gibt es noch zu berichten? Es zeigt sich, dass alle Schüler mit wenig Kocherfahrung versuchen, auch weniger bei der Essenszubereitung mitzuwirken. Dabei handelt es sich nicht nur um Unsicherheit, denn Ratschläge sind immer zu bekommen und außerdem ist Gemüse schnippeln oder Feuerholz sammeln eine ganz andere Tätigkeit; wobei das letztere zunehmend schwieriger wird, da alles langsam gründlich durchgeweicht ist. Ohne Birkenrinde wäre es inzwischen richtig schwer ein Feuer in Gang zu bringen. Auf dem Dreibein kochen ist richtig klasse und spart Kochbenzin, aber die passenden Stöcke muss man auch erstmal finden, wie A. G. nach 20 Minuten erfolglosem Suchen feststellen musste. Sophie hatte in der Zeit 2 gefunden, den dritten besorgten dann die Jungs. Auf das Brot backen mussten wir leider verzichten, zu viel Feuchtigkeit, teils auch leichter Regen während des Kochens. Und unsere aufwendigen Gerichte können wir nicht grade mal auf dem Gaskocher zubereiten. Dann müssten wir zu viel Kochbenzin mitschleppen und außerdem ist der Kaffee am Morgen extrem wichtig - wer möchte schon, dass ich den ganzen Tag ungenießbar bin?

Letztens wurde es richtig lustig, als nur Phine und A. G. im Zelt übernachten müssen. Wir liegen schon gemütlich in unseren Schlafsäcken, als Phine wieder am Shelter auftaucht, weil sie ihr Zelt nicht finden kann. Keiner ist bereit aufzustehen, da müssen erstmal gute Ratschläge helfen. Aber irgendwann erbarmt sich dann Franzi, obwohl sie das Zelt bei Helligkeit gar nicht gesehen hat. Franzi selbst muss sich nach leichten Turnschuhe umsehen, denn ihre Mokassins sind nach einem Tag in der Matsche so feucht, dass sie sich liebend gern Schuhe von anderen "ausborgt", wenn wir am Shelter ankommen. Konsti entwickelt einen eigenartigen Sprachgebrauch, denn er nennt das Zelt "Haus" (das selbstverständlich eine Tür hat), seine nicht aufblasbare Isomatte nennt er "Isomatratze" und unser Gaskocher ist ein "Herd". David, mit 14 der Jüngste, trägt den schwersten Rucksack. Das liegt vor allem daran, dass er eine Spiegelreflexkamera und 20 Filme bei sich. Aber er kommt gut damit zurecht. Schwieriger ist es besonders während der kühlen und regnerischen Tage, dass es keine richtige Rückzuggelegenheit gibt. Schließlich sind die Jungs alle noch im "Alter"-Alter; beenden bei passender Stimmung jeden Satz mit "Alter" und kultivieren eine Lautstärke und Gesprächskultur, dass ich gerne mal außer Hörweite wäre. Immerhin gibt es meist noch andere Wanderer, so dass die Nachtruhe von 21 bis 7 Uhr eingehalten werden muss. Morgens ist das eh keine Problem, denn vor 7 stehen wir selten auf. Abend ist es um 20 Uhr bereits dunkel und wir nicht immer die ersten, die sich hinlegen. Die Thruhiker, die meist lange Strecken gehen, weil sie zu dieser Jahreszeit spät dran sind (egal, in welcher Richtung), schlafen auch locker 10 Stunden und mehr, wenn sich die Gelegenheit oder das Wetter so ergibt. Für mich heißt es oft eine ruhige halbe Stunde mit meinem Kaffee, bevor alle aufstehen.

Der Appetit der Schüler ist weiterhin gewaltig, wobei ich nicht mehr glaube, dass es rein als Nahrung notwendig ist. Schließlich habe ich ebenso reingehauen und 2 ½ Kilo aufgeholt, wieder fast meine Normalgewicht, und mein Appetit lässt wieder ein bisschen nach, aber ich meine schon erste Ansätze zur Gewichtszunahme bei ein paar guten Essern sehen zu können. Wir schlemmen aber auch weiterhin, beispielsweise unsere Käselauchsuppe - auch ohne das selbstgebackene Brot extrem lecker. Vorhin habe ich mir in der Bibliothek ein paar Kochbücher angeschaut, etwas Inspiration besorgen.

Gestern haben wir die 200 km Grenze überschritten, gar nicht schlecht für den Anfang. Insgesamt haben wir 80 Tage für die 720 Meilen nach Harpers Ferry, ein Tagesschnitt von 9, den wir zur Zeit natürlich noch nicht schaffen. Dafür wird es später auch vom Gelände her leichter werden, so dass noch alles drin ist. Normalerweise rechnet man ja Wandern zu Fahrrad 1 zu 4, aber bei diesem Pfad und den vielen Lebensmitteln finde ich 1 zu 5 wesentlich angebrachter. Es wäre also auch kein Beinbruch, wenn wir es nicht ganz bis Harpers Ferry schaffen, schließlich wären das umgerechnet 5.750km, weit mehr als jede Radtour - die Extrakilometer an Ruhetagen gar nicht gerechnet…..also dann, der Wetterbericht verheißt ab morgen wieder positives….ob wohl wieder viel Tennis bei den US Open gespielt werden kann?

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